SPD Ldenscheid

Podiumsdiskussion: Zukunft der Ausbildung

(vom 21.08.2009 | Zurück)

Zu einer interessanten Diskussionsrunde kamen am vergangenen Donnerstag Landratskandidat Michael Rolland sowie Arbeitnehmer-, Auszubildenden-, Schüler- und Arbeitgebervertreter auf Einladung der Jusos in der AWO-Familienbildungsstätte am Duisbergweg zusammen. Zum Thema “Zukunft der Berufsausbildung” referierten zunächst die eingeladenen Vertreter und berichteten aus ihren eigenen Erfahrungen zur aktuellen Ausbildungssituation.

Einen besonderen Fokus legte Matthias Bittern, Geschäftsführer der WEMA GmbH an der Kalver Straße, auf die Motivation der Auszubildenden und die Vorbereitung auf die Berufsausbildung in den Schulen. So sei für ihn nicht primär wichtig, ob die Ausbildungskandidatin mit vielen Zertifikaten und vorab geleisteten Zusatzqualifikationen ihre Bewerbung einreichen. “Wichtig ist, dass man motiviert und konzentriert wirkt, was hilft mir ein theoretisch top ausgebildeter Mechaniker, wenn er mit dem Schraubenzieher nicht umgehen kann?”, so Bittern.

Kevin Dewald, Jugendsekretär der IG Metall im Märkischen Kreis, stellte fest: Gerade die jungen Leute seien heute sehr leistungsbereit – gerade wegen der Angst, hinterher ohne Job und Einkommen dazustehen. Gerade jetzt in der Krise zeige sich, wer vor allem benachteiligt sei. “Wenn jemand von der Krise betroffen ist, dann sind das die jungen Menschen. Entweder finden sie keine Ausbildung oder sie werden nicht übernommen.” Dabei sei es gerade aus demografischen Gründen notwendig, Leute auszubilden und später zu übernehmen. “Wer übernimmt denn sonst in zehn Jahren, wenn die ‘großen’ Jahrgänge in die Rente gehen, die Arbeit? Da muss vorgesorgt werden”, so Dewald. Die IG Metall habe aus diesem Grund auch, statt der üblichen 12 Monate Übernahme nach der Berufsausbildung, die sonst tariflich von den Arbeitgebern zugesichert wurden, nun 24 Monate in der “Krise” für die Auszubildenden rausgeholt.

Christin Spangenberg, Vorsitzende der Jugend- und Auszubildendenvertretung bei der Stadt Lüdenscheid, erzählte zunächst aus ihrer Erfahrung aus der Schule. Zwar gäbe es die bekannten Angebote wie das Berufsinformationszentrum BITS, dennoch werde man nicht auf das Leben vorbereitet. “Wie und welche Versicherungen sollte man abschließen? Wie sieht die Berufswelt tatsächlich aus?”, fragte sich Spangenberg. In den Berufspraktika, die in den Schulen angeboten würden, würde man auch keine zufriedenstellenden Antworten auf diese Fragen erhalten. “Dass man nur noch 28 Tage im Jahr Urlaub hat, dass man 8 Stunden arbeiten muss – das wird da nicht klar”, so Spangenberg. Außerdem seien Auszubildende oftmals nur Lückenfüller. “Die Ausbildung ist nicht dafür da, dass die Azubis im Betrieb dann einspringen, wenn woanders Leute fehlen und dann Lücken füllen. Genauso wenig sind Azubis für das Kaffee kochen zuständig. Eine geplante und gute Berufsausbildung sieht anders aus – leider muss oft das Gegenteil attestiert werden”, stellt die Ausbzubildendenvertreterin fest.

BGL-Schülersprecher David dos Santos sprach zunächst über die Perspektivlosigkeit vieler junger Menschen, auch auf dem Gymnasium, und gab damit Christin Spangenberg recht, was die Vorbereitung auf den Beruf betrifft. “Man muss sich viel früher mit dem Beruf auseinandersetzen. Noch heute wissen viele in meiner 13. Stufe auf dem BGL nicht, was sie machen wollen und sollen”, sprach dos Santos ein Thema an, das zuvor auch schon Matthias Bittern auf die Tagesordnung brachte. Zudem wollen auch in seiner Stufe viele zukünftige Abiturienten auf das Studium verzichten. Rund 50 Prozent der jungen Männer, mit denen er sprach, wollen eine Berufsausbildung starten, bei den Frauen seien es immerhin ca. 30 Prozent. Dabei spielten auch Studiengebühren eine Rolle. Dies habe zur Konsequenz, dass die Abiturienten die Real- und vor allem die Hauptschüler vom Ausbildungsmarkt immer mehr verdrängen würden. Auch aus diesem Grund stellte dos Santos die Frage zur Zukunft der Hauptschule.

Landratskandidat Michael Rolland stand in den letzten Wochen und Monaten verstärkt mit den Berufsschulen sowie mit den Vertretern der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite in Kontakt. Er habe die Berufskollegs besucht im Märkischen Kreis, die rund 14.000 junge Menschen besuchen. Rolland stellte den Anwesenden auch aus der Erfahrung der Gespräche sowie anhand aktueller statistischer Daten die knallharten Fakten vor. 3621 Personen haben sich um eine Ausbildung beworben, nur 2353 Personen seien mit einem Ausbildungsplatz versorgt. 9 Prozent der Schüler verließen die Sekundarstufe 1 ohne einen Schulabschluss. Die Jugendarbeitslosigkeit sei um 117 Prozent gestiegen. Rolland warnte davor, dass immer mehr Menschen in die Abwärtsspirale “Schule ohne Abschluss verlassen – keine Ausbildung – Hartz IV Karriere” rutschen würden. Um dies zu verhindern, müsse man auf verschiedenen Ebenen tätig werden. Dazu gehöre die bessere Vernetzung zwischen Schule, Kreis und Ausbildungsbetrieben, die Verbesserung der Sprachkompetenz (18 Prozent der Personen mit Migrationshintergrund schließen die Schule ohne Abschluss ab) und die bessere Lehrerausstattung an den Berufsschulen, wo das Land NRW als Schulträger gefragt sei.

Juso-MK-Vorsitzende Sonja Gurris stellte die Frage, wie man vor allem die Altbewerber unterstützen könne, die Jahr für Jahr keine Ausbildung erhielten. Fabian Ferber, der für die Jusos die Diskussion moderierte, mahnte an, dass der Staat mehr für die jungen Menschen tun müsse. Kinder, die bereits nach der vierten Klasse mit dem Verweis zur Hauptschule kaum noch Perspektive hätten, fühlen sich im Stich gelassen. “Der Staat müsste endlich länger gemeinsam lernen lassen. In der vierten Klasse sind noch lange nicht die Defizite, die zB im Bereich Sprachkompetenz bestehen können, behoben. Und trotzdem werden da Weichen gestellt – das kann nicht sein”, so Ferber. “Außerdem kann es nicht sein, dass wir immer noch strikt darauf schauen, ob jemand noch schulpflichtig ist. Wir müssen den Leuten sagen, dass wir sie nicht ohne Schulabschluss und Berufsausbildung stehen lassen – egal wie alt sie sind!”

Kevin Dewald schlug zudem eine Ausbildungsumlage vor, die vorsieht, dass die Betriebe, die die Ausbildungsquote unterschreiten würden, eine Umlage zahlen müssten, die dann an die Betriebe ginge, die vorbildlich ausbilden würden. “Dabei sind natürlich Kleinstbetriebe ausgenommen, die gar nicht ausbilden können. Das Problem liegt auch eher bei den Großbetrieben, die zu wenig ausbilden und dabei den Mittelstand belasten”, so Dewald.

Ferber dankte den Teilnehmern für die rege Diskussion und kündigte an, die aufgeworfenen Kritikpunkte und Anregungen zur besseren Ausbildungspolitik in den nächsten Wochen bei den Jusos zu besprechen und ein Konzept zu formulieren. Es sei sehr gut gewesen, aus allen möglichen Richtungen Erfahrungsberichte zu hören und eben die Sicht der einzelnen Parteien besser verstehen zu können.

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