SPD Ldenscheid

"Es gibt keine Arbeiterbewegung mehr"

(vom 06.03.2005 | Zurück)

Lüdenscheid. Am vergangenen Samstagnachmittag skizzierte Dr. Dietmar Simon den Wandel der SPD in den letzten 140 Jahren. Im gut gefüllten Saal im SPD-Parteihaus am Breitenfeld fanden sich vorwiegend Mitglieder der Jungsozialisten (Jusos) sowie der „AG 60Plus“ ein.

Dr. Simon, selbst Lehrer für Geschichte und Deutsch am Bergstadt-Gymnasium, setzte 1848 als Startjahr für seinen Vortrag. In diesem Jahr veröffentlichten Karl Marx und Friedrich Engels das „Kommunistische Manifest“. Im Jahre 1863 gründete Ferdinand Lassalle den „Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“, einem SPD-Vorgänger. 1875 folgte der Zusammenschluss des ADAV mit der „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei“ (SDAP). Die Bewegung, nun mit den Namen August Bebel und Wilhelm Liebknecht verbunden, fand sich nun in der „Sozialistischen Arbeiterpartei“ wieder.

Die Sozialdemokraten, vor allem in den Industriestädten vertreten, sahen sich bereits 1878 durch das „Sozialistengesetz“ mit schweren Hindernissen konfrontiert. Doch auch das Verbot sozialistischer und sozialdemokratischer Bewegungen konnte es nicht verhindern, dass bis 1890 die sozialdemokratischen Kandidaten immer mehr Stimmen bei Reichstagswahlen für sich gewinnen konnten.

Nach dem Außerkrafttreten des Sozialistengesetzes nannte sich die SAP um. Seitdem heißt die Partei „Sozialdemokratische Partei Deutschlands“ – wie heute.

1889 gründete sich, so Simon, in Lüdenscheid der erste Sozialdemokratische Verein unter dem Gründer Franz Iserloh. Vor allem junge Leute haben sich zusammengeschlossen, um für Arbeitnehmerrecht einzutreten.

Bis 1912 ging es bergauf für die Sozialdemokraten: Erstmals stellten sie im Reichstag die größte Fraktion. Durch die Bewilligung der Kriegskredite für den ersten Weltkrieg entstand die erste Gegenbewegung, die sich später in der „Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei“ (USPD) und vor allem in der „Kommunistischen Partei Deutschlands“ formierte. Hier waren vor allem Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg die Protagonisten.

In der Weimarer Republik waren die Sozialdemokraten mit der Krisenbewältigung beschäftigt. Hyperinflation, Weltwirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit sorgten dafür, dass Nazis und Kommunisten im Parlament die Mehrheit der Sitze innehatten – „Undemokraten beherrschten die Demokratie, das war das Ende der Republik und der SPD zu der Zeit“.

Nach Hitlers Machtergreifung 1933 wurden sämtliche Bewegungen mit sozialdemokratischem Hintergrund verboten. In Lüdenscheid wurde so zum Beispiel der sozialdemokratische Schwimmverein verboten. Ein Sportverein konnte ein Verbot verhindern: TuRa Eggenscheid konnte durch Tricks weiter existieren. Obwohl die Mitgliederliste des Vereins „nahezu deckungsgleich“ mit der des SPD-Ortsvereins Oberrahmede war.

Doch auch in Lüdenscheid gab es Widerstand gegen das Regime. Vor allem der spätere Oberbürgermeister und Bundestagsabgeordnete Erwin Welke vertrieb zusammen mit Genossen wie Willy Kattwinkel im Untergrund Medien gegen die Diktatur. Kattwinkel kam über gute Verbindungen zum SPD-Exil-Vorstand in Paris an die Materialien, die später in ganz Nazi-Deutschland verteilt wurden.

Nach dem Krieg befand sich auch die SPD im Wiederaufbau. August Schlingmann war Bürgermeister, Erwin Welke vom ersten Tag der Existenz an Mitglied des Bundestags.

1959 folgte eine besondere Wende: Die SPD wollte nicht mehr eine reine Arbeiterpartei sein, mit dem „Godesberger Programm“ wurde die SPD Volkspartei. 1969 stellte sie mit Willy Brandt zum ersten Mal den Bundeskanzler, nach fünf Jahren folgte ihm Helmut Schmidt, nachdem Willy Brandt über die „Guillaume-Affäre“ stolperte.

Mit dem Nato-Doppelbeschluss Ende der Siebziger förderte die Regierung Schmidt die Gründung einer weiteren „Splittergruppierung“, den Grünen. SPD-Stadtverbandsvorsitzende Karin Löhr merkte ironisch an: „Helmut Schmidt ist Gründer der Grünen.“

In der Diskussion mit Dr. Simon kamen viele Fragen auf. So fragte Juso-Vorsitzender Fabian Ferber, ob der Wandel der SPD zur heutigen SPD mit den Grundsätzen von Marx, Lassalle, Bebel und Liebknecht zu vereinen sei. Dietmar Simon antwortete: „Damals gab es noch eine klassische Arbeiterbewegung, die gibt es heute gar nicht mehr.“

Nachfragen zu den Jugendorganisationen wie den Falken oder der Sozialistischen Arbeiterjugend weckten bei einigen Genossen noch Erinnerungen. Die Falkenarbeit in den Fünfzigern, viele Genossen aus der Zeit sowie die ganzen Erlebnisse konnten von Dietmar Simon und weiteren älteren Genossen auch an die „Jüngeren“ getragen werden.

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